Die neue Nachtcafé-Geschichte

In 2025 hat die neue Nacht­ca­fé-Geschich­te, geschrie­ben von Dani­lo Fio­ri­ti mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung vom Publi­kum begon­nen. Den ers­ten Teil hat er schon im Janu­ar im Nacht­ca­fé vor­ge­stellt. Auf den zwei­ten Teil kön­nen Sie sich am Frei­tag, 28. Febru­ar im nächs­ten Nacht­ca­fé freuen!
Hier zum Nach­le­sen der ers­te Teil der Geschich­te, aus dem Januar-Nachtcafé:
(Die gesam­te ers­te Nacht­ca­fé-Geschich­te fin­den Sie hier.)

Nacht­ca­fé-Geschich­te 2025 

Kapi­tel 1 – It’s Rai­ning Men

Am Mor­gen des 31. Janu­ars 2025 um 07:53 fiel etwas auf den Bal­kon von Gise­la Mertens.

Es war ein eigen­tüm­li­ches Geräusch, das ent­stand, als das Ding auf ihrem Bal­kon lan­de­te. Es war kein Knall, ein Zuhö­rer hät­te es wohl in Erman­ge­lung eines bes­se­ren Wor­tes ein Flat­schen genannt. Das war wohl auch der Grund, war­um zwar der ein­zel­ne blaue Wel­len­sit­tich im Wohn­zim­mer laut gacker­te, als er das Flat­schen gehört hat­te, aber Frau Mer­tens wei­ter in ihre Mor­gen­rou­ti­ne ver­sun­ken war. Gise­la Mer­tens stand näm­lich in die­sem Augen­blick, wie jeden Tag, noch ein­mal vor dem Spie­gel in dem engen Flur neben ihrer Woh­nungs­tür, betrach­te­te sich ein letz­tes Mal, bevor sie zur Arbeit gehen wür­de, und wun­der­te sich – jeden Tag ein wenig.

Sie wuss­te, dass sie 56 Jah­re alt war. Aber wenn sie in den Spie­gel sah, war sie weder alt noch jung. “Ein biss­chen Speck glät­tet die Fal­ten”, hat­te ihre Mut­ter immer gesagt, und viel­leicht war es das. Ihre Haut war glatt und ihr Gesicht rund, aber ihre Augen lagen in tie­fen Fal­ten. Ihr Haar war noch voll, aber von einem unde­fi­nier­ba­ren Maus­blond, das lang­sam zu einem unde­fi­nier­ba­ren Maus­grau hinüberwuchs.

Ihre Klei­dung – so viel Beige.

Sie erin­ner­te sich noch an die­ses eine Foto aus ihrer Kind­heit, tief in den 70ern. Knal­li­ges Oran­ge hat­te sie getra­gen, einen Pul­lun­der mit roten Strei­fen, eine knal­lig blaue Latz­ho­se mit gel­ben Knöp­fen. Sie erin­ner­te sich noch genau an das Bild – auf­ge­nom­men bei einem Foto­shoo­ting in dem klei­nen Stu­dio in ihrem Hei­mat­dorf. Mit ange­spann­ter Hal­tung, aber mit einem brei­ten Grin­sen, saß sie in die­sen bun­ten Klei­dern auf einem häss­li­chen Schaukelpferd.

Wahr­schein­lich war das der bun­tes­te Tag ihres Lebens gewe­sen. Und dann – irgend­wie war die Far­be aus ihren Klei­dern ent­wi­chen. In der Schu­le hat­te es ange­fan­gen. Alles wur­de grell in den 80ern, aber sie woll­te nicht auf­fal­len. In der Klas­se nicht ange­spro­chen wer­den. Nie­man­dem die Mög­lich­keit geben, sie anzugreifen…

Beige.

Natür­lich wuss­te sie, wie sie auf ande­re wirk­te. Und manch­mal – manch­mal, im Urlaub – kauf­te sie sich ein bun­tes Hals­tuch aus Sei­de mit gro­ßen Blu­men­mus­tern. Sie nahm sich vor, es zu Hau­se, auf der Arbeit, zu tra­gen. Die Schub­la­de ihres Nacht­tischs war voll von die­sen Tüchern. Alle noch in den klei­nen Plas­tik­tüt­chen, in die sie die Ver­käu­fe­rin­nen auf den Basa­ren gesteckt hat­ten. Sie hat­te sie nie getra­gen. Sie konn­te die Schub­la­de kaum öff­nen, ohne dass sie her­aus­quol­len und auf den Boden fie­len. Aber Gise­la war geschickt – mit Kraft press­te sie die Tücher zusam­men und drück­te die Schub­la­de fest zu. Das war ja leicht, sie muss­te sie ohne­hin nur ein­mal im Jahr öff­nen, wenn ein wei­te­rer Schal hinzukam.

War­um den auf der Arbeit tra­gen? Auf der Arbeit hät­ten sich die Leu­te nach ihr umge­schaut, wenn sie einen getra­gen hät­te. Sie hät­ten geschmun­zelt: “Was ist denn mit der Mer­tens los?“ Sie wür­den es nicht fra­gen, aber sie wür­den es den­ken. Wenn sie ihren Namen über­haupt wüssten.

Nie­mand wuss­te genau, wie lan­ge Gise­la schon dort arbei­te­te. Jeder wuss­te, dass sie irgend­wie schon immer da war. Und sie selbst muss­te immer wie­der über­le­gen – zehn, fünf­zehn Jah­re? Viel­leicht zwan­zig? Die Kol­le­gen grüß­ten sie höf­lich, aber sie luden sie nie zum Mit­tag­essen ein. Wenn sie Urlaub hat­te, fiel es nie­man­dem auf. Wenn sie krank war, blieb ihr Schreib­tisch unbe­rührt, bis sie wiederkam.

Die Män­ner?

Es hat­te ein paar gege­ben, aber kei­ner war geblie­ben. Män­ner hat­ten sie über­se­hen oder irgend­wann ver­las­sen. Der letz­te war Kurt gewe­sen, ein geschie­de­ner Bus­fah­rer, der ein­mal zu ihr gesagt hat­te: „Gise­la, du bist so unkom­pli­ziert.“ Und dann war er weg. Zu einer Frau, die weni­ger unkom­pli­ziert war – aber aufregender.

Das Zir­pen ihres letz­ten Wel­len­sit­tichs hol­te sie aus ihren Gedan­ken. Auf­ge­regt flat­ter­te er in sei­nem Käfig her­um. Gise­la hat­te ein­mal mehr als die­sen einen Wel­len­sit­tich gehabt, aber in den letz­ten Mona­ten waren alle gestor­ben. Und Gise­la erwar­te­te fast, dass auch Pucki bald wegen Alters­schwä­che able­ben wür­de. Viel­leicht war das wil­de Geflat­ter gera­de ein letz­tes Auf­bäu­men – vor dem unaus­weich­li­chen Tod.

Gise­la schüt­tel­te trau­rig den Kopf und erwar­te­te bereits, dass sie Pucki am Abend als stei­fes klei­nes, blau­es Knäu­el auf dem Boden des Käfigs fin­den wür­de. Zu scha­de war das.

Gise­la hat­te die Klin­ke schon in der Hand und woll­te ihre Woh­nung gera­de ver­las­sen. Da sah sie im Augen­win­kel ein kur­zes Fla­ckern an ihrem Wohn­zim­mer­fens­ter vor­bei­zi­schen. Dann hör­te sie einen Schrei. Einen Schrei unten auf der Stra­ße. Gise­la ging ins Wohn­zim­mer und sah durch ihr Fens­ter hin­un­ter. Aus allen Win­keln kamen Leu­te auf einen Punkt zuge­lau­fen. Die Stra­ße war gebors­ten, ein run­des Loch – spinn­web­ar­tig gin­gen Ris­se über die Stra­ße. Und in der Mit­te – Gise­la schreck­te zurück – ein Körper.

Erschro­cken stol­per­te sie, stieß an ihren Ses­sel und woll­te gera­de wie­der zum Fens­ter, sie hör­te Rufe auf der Stra­ße – aber soweit kam sie nicht. Denn jetzt sah sie durch ihre Bal­kon­tür. Und da lag jemand. Als Ers­tes sah sie einen klei­nen Hin­tern, gefolgt von flei­schi­gen Rücken, mit rot­blon­den Haa­ren an den Sei­ten. Kurts Rücken – fla­cker­te es durch Gise­las Kopf – war auch so behaart gewesen. 

Das Gesicht des Man­nes war von ihr abge­wandt, sie sah nur den fast kah­len Schä­del, der von einem Kranz buschi­ger, rot­blon­der Haa­re umstan­den war, die bereits grau wur­den. So lag die­ser Kerl da, zwi­schen Gise­las Bal­kon­stuhl und den ver­trock­ne­ten Gera­ni­en des Vor­jah­res. Er war nicht tot, da war kein Blut. Einen Moment stand sie so da – dann tipp­te sie mit der Spit­ze ihres Fin­ger­na­gels an die Scheibe.

„Hal­lo? Sind Sie tot?“ Der Wel­len­sit­tich flat­ter­te wei­ter und Gise­la nick­te.
„Ja, ja, ist ja schon gut. Ich schau doch schon nach.“
Eisi­ge Janu­ar­luft ström­te um ihre Füße, als sie die Tür öff­ne­te. Aus allen Ecken der Stadt hör­te sie Rufe und Schreie – Polizeisirenen.nSie tipp­te mit ihrem Fuß an den Ober­schen­kel des Man­nes – kei­ne Reaktion.

Gise­la nick­te und dreh­te sich wie­der um. Sie wür­de ihn da lie­gen las­sen und die Poli­zei rufen. In die­sem Moment hör­te sie ein lei­ses Kna­cken. Sie sah nach unten – ein klei­ner Riss bil­de­te sich am Rand des Bal­kons. Der Riss wur­de brei­ter – es knirsch­te. Es muss­te sein Auf­schlag gewe­sen sein —
„Hal­lo, Sie müss­ten jetzt lang­sam auf­ste­hen“, sag­te sie, wäh­rend das Knir­schen lau­ter wur­de. Sie sah, wie der Bal­kon sich lang­sam senkte.

„Him­mel­herr­gott.“ Sie griff nach dem kal­ten Arm des Man­nes und zog ihn zur Tür. Nur lang­sam – er war schwer. Sie griff nach dem zwei­ten Arm – der Kopf bau­mel­te reg­los zwi­schen den bei­den Armen. Sie stemm­te sich mit den Bei­nen gegen die Bal­kon­tür – sie hat­te den Mann jetzt bis zu den Schul­tern in der Woh­nung, als der Kopf sich plötz­lich hob.

Der Mann blick­te mit blau­en, ver­ständ­nis­lo­sen Augen auf Gisela –

und der Bal­kon senk­te sich kra­chend in die Tiefe.

Ende Kapi­tel 1 

  

Fra­gen:

Eine Grund­emo­ti­on für den Mann nach dem Erwachen- 

Geschockt (1 Per­son stimm­te dafür)
Erstaunt (15 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Ängst­lich (1 Per­son stimm­te dafür)
Lachend (10 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Ver­liebt auf den ers­ten Blick. (25 Per­so­nen stimm­ten dafür)

Woher kommt der Mann?
Von oben (3 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Ande­rer Pla­net (13 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Aus dem Bus (2 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Aus der Fulgzeug­toi­let­te (12 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Aus dem Saar­land (30 Per­so­nen stimm­ten dafür)

Wie muss Gise­la dem Mann helfen?
Mit Mag­gi (17 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Ring­wurst-Weck (8 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Mit einem bei­gen Bade­man­tel (13 Per­so­nen stimm­ten dafür)
Mit ihren bun­ten Tüchern (20)

Wer also hören möch­te wie Gise­la Mer­tens den nack­ten Mann, der auf ihrem Bal­kon gelan­det ist mit ihren bun­ten Tüchern ret­tet, wäh­rend er sich sofort in sie ver­liebt, der muss am 28. Febru­ar um 21 Uhr ins Nacht­ca­fé kommen!

Ich freu mich auf euch!  Euer Danilo.